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Call me God: Eine Wolke von Opfern

Call me God

Eine Wolke von Opfern

Theater Göppingen hat am Samstag im Alten E-Werk Premiere mit dem Stück "Call me God" gefeiert, das sich kritisch mit dem Zustand der westlichen Demokratien am Beispiel der USA auseinandersetzt.

Vier Dramatiker haben an dem Stück "Call me God" geschrieben und dem Text damit eine Vielfalt an Perspektiven gegeben: der Italiener Gian Maria Cervo, der Argentinier Rafael Spregelburd sowie die aus Deutschland stammenden Autoren Marius von Mayenburg und Albert Ostermaier.


Regisseur Ralf Rummel hat es mit zwölf Laienschauspielern für das Dacapo-Theater Göppingen in eine Hundert-Minuten-Aufführung gegossen, in der die Fragen, welche das Stück aufwirft, mit diversen Mitteln verdeutlicht werden.

Die Szenen sind reich an Bildern, die die moderne Gesellschaft widerspiegeln und aufgrund ihrer inzwischen mehr als fragilen Verfassung nicht nur hinterfragen sondern fast vorführen. Es ist erschreckend, dass manches ohne weiteres vorstellbar ist oder so ähnlich sogar passiert ist, obwohl vieles - zwar auf realer Grundlage basierend - aber letztendlich doch dramaturgisch aufgemotzt wurde beziehungsweise manche Handlungsstränge fiktiv sind.

Projektionsfläche der Fragen, die an unsere Gesellschaft gestellt werden, sind die USA kurz nach der Jahrtausendwende. Realer Hintergrund: Im Oktober 2002 hält ein Scharfschütze die Vereinigten Staaten in Atem, der mindestens zehn Menschen tötete. Ende Oktober 2002 wurden zwar zwei Täter festgenommen. Das Motiv blieb aber unklar. War es die aufwendige Verschleierung des Mords an der Ehefrau, ohne das Sorgerecht für die Kinder zu verlieren, lag die Antwort im Islam oder irgendwo ganz anders? Diese Geschichte vom ersten Mord bis zur Hinrichtung bildet den Rahmen. Erste Szene ist die Hinrichtung, bevor die Rückblenden folgen.


Wo die Realität Antworten schuldig bleibt, liefert das Theater mögliche Erklärungen. Der Täter John Allen Muhammad hatte seinen Glauben in den Staat verloren nachdem ihm das Sorgerecht für seine drei Kinder entzogen worden war. Zusammen mit seinem Komplizen John Lee Malvo, der sich als sein Sohn ausgibt, tötet der frühere Soldat wahllos Menschen, um die Ex-Frau Muhammads "in einer Wolke von Opfern einzuhüllen" und damit auch den Täter. Um sie als scheinbar wahlloses Opfer erscheinen zu lassen und keine Rückschlüsse auf den Täter zuzulassen.


Regisseur Ralf Rummel selbst schlüpft in die Rolle des Beobachters von Außen, der die Ereignisse daher in größere Zusammenhänge einzuordnen versucht, von der Seeschlacht bei Lepanto bis hin zu Ereignissen unserer Tage. Unübersehbar ist die Kritik an den Medien, die wiederum der Spiegel der Gesellschaft, das Produkt der Konsumenten sind. Wo wird unreflektiert nachgeplappert, wie groß ist die Sensationssucht? Verdeutlicht wird dies in der Aufführung dadurch, dass manche Dialoge vor der Bühne über die Köpfe der Besucher hinweg gesprochen werden und das Medienrudel letztendlich vor der Bühne steht, sozusagen als Speerspitze des sensationsgeilen Publikums. "Wir haben ein Problem", sagen die Polizisten bei jedem neuen Fall.



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